Montag, 14. Januar 2019

Die wahre Opfergesinnung ist Bedingung für die Berufung zum christlichen Ritter

Beachtenswerter Aufsatz von Hugo Rahner aus dem Jahr 1959 über das abendländische Rittertum:
Neu veröffentlicht bei https://bundsanktmichael.org/2019/01/11/hugo-rahner-das-unsterbliche-erbe-des-abendlaendischen-rittertums/

Der katholische Theologe und Jesuit Hugo Rahner (1900-1968) ist vor allem durch seinen Einsatz für die Verteidigung des abendländischen Gedankens in Erinnerung geblieben. Das christliche Abendland empfand er als ein hohes Gut, das es verdient, bewahrt zu werden.
Er verfasste in diesem Zusammenhang 1959 einen Aufsatz, in dem er das zeitlose Erbe des abendländischen Rittertums beschrieb.1 Dessen Ideale seien die Antwort auf die Probleme einer „im Wohlstand alt und fett gewordenen Welt“.
Das Urbild des Ritters
Rahner sprach von einem „Urbild vom Reiter“, das in den Mythen der Menschheit beschrieben werde und in vielen Hochkulturen vorhanden sei. Das antike Griechenland und Rom habe Vorläufer des Rittertums gekannt und das Ideal des im Dienst am Gemeinwesen stehenden Bürgers gepflegt. Hier sei bereits ein Ehrenkodex des im Dienst an höheren Dingen stehenden Kämpfers vorhanden gewesen, welcher „der Adelige im besten Sinne des Wortes“ sei. Das christliche bzw. das abendländische Rittertum habe auch an dieses heidnisch-antike Erbe angeknüpft.
Jesus Christus: Der erste Ritter
Das Alte Testament habe Jesus Christus als „gottgesandten Reiter“ angekündigt. Hier sei „ein Reiter in leuchtend weißem Gewand, der eine goldene Bewaffnung schwenkte“ beschrieben worden, der das Volk Gottes im Kampf gegen seine Feinde anführe. Dieses Bild finde sich in der Offenbarung des Johannes im Neuen Testament wieder:
„Dann sah ich den Himmel offen und siehe, da war ein weißes Pferd und der, der auf ihm saß, heißt: Der Treue und Wahrhaftige; gerecht richtet er und führt er Krieg. […] Bekleidet war er mit einem blutgetränkten Gewand; und sein Name heißt: Das Wort Gottes. Die Heere des Himmels folgten ihm auf weißen Pferden; sie waren in reines, weißes Leinen gekleidet. Aus seinem Mund kam ein scharfes Schwert; mit ihm wird er die Völker schlagen. Und er weidet sie mit eisernem Zepter und er tritt die Kelter des Weines, des rächenden Zornes Gottes, des Herrschers über die ganze Schöpfung. Auf seinem Gewand und auf seiner Hüfte trägt er den Namen geschrieben: König der Könige und Herr der Herren.“2
Sowohl das Alte als auch das Neue Testament hätten Christus als Ritter beschrieben, weil diese kämpfende Form des Dienstes ein Weg der Nachfolge Christi sei:
„Das ist der Reiter Christus. Der Ritter, unser König und Herr. Das ist der apokalyptische Reiter des weltgeschichtlichen Sieges, den er durch den Bluttod am Kreuz errungen hat. […] Das ist der Ritter Christus, der durch die Jahrtausende der Weltgeschichte reitet, der König, der Freie, der die Erde unter sich hat, der erhaben ist und dienend, anführend und als letzter das Kampffeld räumend. Das ist der Herr Jesus Christus, der bis in den Tod getreu war und dafür die königliche Krone des Lebens erhielt […]. […] Der Herr ist, wie das Wort der Geheimen Offenbarung andeutet, König geworden gerade durch seine Hingabe in den Tod, im Blutvergießen des Kreuzestodes.“3
Der Sieg über die Welt durch den in bedingungsloser Nächstenliebe erlittenen dienenden Tod bezeuge das Herrentum und das Königtum Christi, der mit „Herrlichkeit und Ehre gekrönt“ sei. Rahner betonte in diesem Zusammenhang die Eigenschaft Christi als „dem Sieger, dem Welteroberer, dem Ritter, dem Führer Eures jungen Lebens, dem Ihr Treue haltet“.
Das soldatische Christentum der abendländischen Tradition
Bereits in den ältesten Texten des Neuen Testaments sei das Christentum mit soldatischen Bildern beschrieben worden. Der hl. Apostel Paulus habe etwa das Kreuz Christi mit einem Tropaion bzw. mit einem Feldzeichen römischer und griechischer Armeen verglichen.
Von Paulus beginnend hätten die frühen Christen das christliche Leben mit dem Dienst des Soldaten verglichen, das für sie „Kriegsdienst für den König Christus“ gewesen sei. Von Beginn an hätten sich Christen als Soldaten in einem metaphysischen Krieg gegen nichtmenschliche Gegner bzw. gegen die Kräfte des Bösen verstanden. Rahner spricht von einer „heiligen Gewalt, die einmal das christliche Abendland, dieses Herz der Völker, durchpulst hat“.
Eine der ältesten überlieferten Formen der Taufe bzw. des Eintritts in das Christentum habe darin bestanden, dass der in den Dienst Christi eintretende Mensch sich in Richtung der aufgehenden Sonne gewandt und feierlich ausgesprochen habe: „Ich trete in dein Heer ein, o Christus.“4 Bereits Clemens von Alexandria (ca. 150-215) habe gesagt, dass es eine „herrliche Gefahr“ darstelle, „überzulaufen zur Front Gottes hin“.5
Die zeitlose Berufung des christlichen Mannes zum Rittertum
Aus dem oben beschriebenen Gedanken des Königtums Christi habe sich das christliche Rittertum entwickelt. Der Gründer des Jesuitenordens, der hl. Ignatius von Loyola, habe diesen Gedanken später weiterverfolgt und betont, dass Christus sich zu allen Zeiten seine kämpfende Gefolgschaft suche und seinen „Ruf des Königs“ an jene richte, die dafür in Frage kämen.
Das Erbe des abenländischen Rittertums sei zeitlos, weil es in jeder Generation Christen geben müsse, die zum kompromisslosen und kämpferischen Dienst an Gott und dem Nächsten bereit wären:
„Da nun aber das Werk der im Kreuzestod vollendeten Welterlösung sich durch alle Erdenzeiten hindurch entfalten muß, muß sich das Geheimnis der Überschwenglichkeit fortsetzen, muß es zu allen Zeiten Menschen geben, die das Großartige der in Christus uns geschenkten Liebe des Vaters mit einem großartigen Herzen erfassen können. Der Reiter Christus sucht Mitreiter, Mitstreiter, Mitsoldaten, Commilitones. Christus braucht Menschen, die Ritter sein wollen, Freie, Adelige, die die Erde unter sich haben, die jauchzend reiten können, die über das Gewöhnliche demütig erhaben sind, dienend und befehlend, anführend und als letzte das Kampffeld räumend. Menschen, die etwas ahnen von dem Sieg, der nur im Kreuz errungen wurde. Menschen, die wie eine Feldwache das Tropaion des Königs umstehen. […] Wer immer zu diesen Freunden, Mitstreitern und Mitknechten des Herrn gehören will: der ist ein Ritter. Eques Christi. Gehören wir zu ihnen?“6
Sein Reich brauche dienstbereite Männer, die nach höchsten Dingen streben. Jeder christliche Mann müsse sich die Frage stellen, ob er in diesen Dienst eintreten wolle:
„Willst Du? Das ist der Ruf des Königs.“
Hintergrund: Die Abwendung vom abendländischen Gedanken im modernen deutschen Katholizismus
Rahners Aufsatz beruht auf einem Vortrag, den er auf einer Veranstaltung des „Bund Neudeutschland“ hielt. Dieser ursprünglich elitäre Männerbund pflegte den abendländischen Gedanken und die Ideale des Rittertums in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und während der Herrschaft des Nationalsozialismus. Sein erklärtes Ziel war es, „einsatzfreudige Katholiken heranzubilden“, was dem Bund tatsächlich gelang, aus dem Widerstandskämpfer wie Alfred Delp oder Willi Graf hervorgingen. Seit den späten 1950er Jahren begannen sich in diesem Bund jedoch Kräfte durchzusetzen, die das abendländische Erbe ablehnten. Durch seinen Vortrag wollte Rahner diesen Auflösungserscheinungen entgegenwirken.
  • Der Politikwissenschaftler Rolf Eilers hatte den inneren Verfall des Bundes in einer 1998 erschienenen Studie beschrieben.7 In den 1950er Jahren habe der Bund sich für einen Modernisierungskurs entschieden und einen „Abschied vom Rittertum“ und auch vom Prinzip des elitären Männerbundes vollzogen. Anstelle der Verteidigung des abendländischen Erbes habe von da an das „kritische Hinterfragen“ dieses Erbes im Vordergrund gestanden.
  • Der Bund habe zudem seine „Offenheit“ betont, was praktisch dazu führte, dass die Anhänger radikaler utopischer Ideologien in ihm an Einfluss gewannen. Die abendländische Tradition sei von diesen radikalen Kräften, die sich zunehmend an marxistischer Ideologie orientiert hätten, als nicht offen genug abgelehnt worden.
  • Anstelle von Lebensgestaltung nach dem Vorbild ritterlicher Ideale habe der Bund seit den 1960er Jahren vorwiegend politischen Aktivismus betrieben. Die Hochschulgruppen des Bundes hätten sich damals zunehmend in eine linksradikale Richtung entwickelt.
Von dieser Entwicklung hat sich der Bund Neudeutschland nicht mehr erholt, der sich heute nach eigenen Angaben nicht mehr für ein christliches, sondern für ein „vielfältiges Deutschland“ einsetzt. Zu seinen bekannteren Mitgliedern gehört Kardinal Reinhard Marx, der kürzlich erklärte, dass er das Konzept des christlichen Abendlandes ablehne, weil es „ausgrenzend“ sei. (ts)

Quelle: https://bundsanktmichael.org/2019/01/11/hugo-rahner-das-unsterbliche-erbe-des-abendlaendischen-rittertums/