Donnerstag, 19. April 2007

Eine Minderheit im Lande Christi

– von Christian Machek

Im Heiligen Land wandelte und wirkte unser Heiland Jesus
Christus. Seit damals leben dort bis heute Christen, bezeugen Tod und
Auferstehung ihres Herrn und führen mitunter auch ein Leben der Kreuzesnachfolge.

Fadi Hindo ist ein palästinensischer Katholik mittleren Alters. Er ist in
Jerusalem geboren, aufgewachsen und lebt heute noch hier. Viele seiner
christlichen Glaubensbrüder haben es vorgezogen, die Heimat zu verlassen.
So haben etwa vor ein paar Wochen der 23jährige Emaunuel Tanous und seine um zwei Jahre jüngere Verlobte Rana Gedeon Bethlehem in Richtung San Franzisko verlassen. Kurz vor der Abreise haben die zwei katholischen Palästinenser noch in der Katharinenkirche den Bund der Ehe geschlossen. In der benachbarten Geburtskirche fand vor ein paar Monaten noch ein Begräbnisgottesdienst für einen Muslim und einen griechisch-orthodoxen Christen statt. Beide jungen Männer waren von israelischen Sicherheitskräften in einer nächtlichen Razzia getötet worden.

Verlassenheit
„Wir sind einsam“, stellt Fadi nüchtern fest. Tatsächlich stellen die
arabischen Christen im Heiligen Land eine Minderheit von ca. zwei Prozent
innerhalb des Staates Israel, drei Prozent im Westjordanland und ein paar tapferen
Seelen im Gazastreifen dar. Vor der Entstehung und den Eroberungszügen des
Islam im 7. Jahrhundert bildeten sie einst die Bevölkerungsmehrheit.
Abgesehen von ihrem Minderheitenstatus befinden sich die ca. 120.000 arabischen Christen seit Jahrzehnten in einer Art Identitätskrise. Von den meisten Arabern werden sie nicht richtig anerkannt, weil sie Christen sind. Für die Israelis sind sie einfach nur Araber. Und ganz Palästinenser können sie auch nicht sein, da es einen Staat Palästina nicht gibt.

Ein Mosaik
Seit dem ersten Pfingsten leben Christen im Heiligen Land und den angrenzenden „biblischen Ländern“. In den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt kam es aufgrund von theologischen Differenzen zu ersten Spaltungen. Durch die Kreuzzüge fanden einige Teilkirchen zur Katholischen Kirche zurück, dies brachte jedoch eine weitere Fragmentierung mit sich. Später bildeten sich durch Missionstätigkeit im Nahen Osten mit Rom unierte
orthodoxe Kirchen und evangelische Kirchengemeinschaften.
Die Mehrheit der christlichen Palästinenser gehört vier Konfessionen an:
Etwa die Hälfte sind Griechisch-orthodox. Die andere Hälfte setzt sich aus
katholischen, griechisch-katholischen und protestantischen Christen zusammen.

Ein Volk
„Wir Teilen ein gemeinsames Schicksal mit den Muslimen“, erklärt Fadi in seiner freundlichen Art, ohne das Wachsen eines islamischen Fanatismus zu verkennen. Doch kennt der selbständige Steuerberater auch Selbstkritik: „Wir sind ignorant unseren eigenen alltäglichen Bedürfnissen gegenüber“ und stellt fest, daß die meisten Araber sich weigern Hebräisch zu lernen. Trotzallem stellt Fadi angesichts einer blutigen Vergangenheit und sich vollziehender Trennung von Juden und Arabern durch eine „Sicherheitsmauer“ fest: „Der Zorn in den Menschen ist tief und es wird schlimmer".
„Gerechtigkeit und Frieden sind derzeit noch weit entfernt“, stellten 13 Patriachen, Bischöfe und Ordensleute unlängst in einer gemeinsamen Erklärung fest. Die „gelebte Realität“ ist nach wie vor geprägt von Arbeitslosigkeit, Armut, Blutvergießen, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit.

Das Abendland
Einst versammelte die Mutter Kirche das ganze Abendland hinter sich. Das Schicksal der Heiligen Stätten und der im Heiligen Land lebenden Christen war ihr stets ein Anliegen, was nicht die zuletzt die Kreuzritter bezeugten. Heute fehlt es einer modernisierten Kirche an Kompetenz, Kraft und Orientierung überhaupt eine inhaltliche Position einzunehmen, geschweige diese auch politisch umsetzen zu wollen. Dadurch haben auch europäische Regierungen keinen wirklichen moralischen Rückhalt und bleiben Erfüllungsgehilfen der Vereinigten Staaten und anderer Gruppierungen. Ein europäischer Beitrag zur Befriedung der Region bleibt somit bis auf weiteres eine Illusion. Trotzdem muss festgestellt werden, daß das Ansehen und die Autorität des Heiligen Vaters weltweit ungebrochen und unbeschadet geblieben ist. Keine Führungspersönlichkeit hätte eine größere Überzeugungskraft.

Gerechtigkeit
Für das Christentum ist das Gelobte Land, das Land der Bibel, in dem das Gottesvolk Israel lebte. Es ist das Land Jesu und der Aposteln mit Jerusalem als Stadt Gottes und Ursprungsort der Kirche, von wo aus sich die Botschaft des Evangeliums über die ganze Erde verbreitete hat. Umso mehr verdient das Heilige Land und die Ursprungskirchen die Aufmerksamkeit und solidarische Unterstützung ihrer Glaubensbrüder weltweit.
Alle Christen können und sollen beten und sich dafür einsetzen, daß das Heilige Land ein solches wieder werden kann. Dies sollte im Glauben an einen Schöpfergott geschehen, der alle Völker geschaffen und ihnen ihre Rechte gegeben hat. Dies muss jeder Mensch anerkennen und sich nicht falschen Ideologien oder Götzen hingeben. Dies kann jedoch nur in der tiefen Vergewisserung geschehen, daß es nur einen wahren Friedenfürst gibt, nämlich Jesus Christus.


Auzug aus einem Hirtenbrief der Katholischen Patriachen des Orients:

"Unsere Kirchen stellen mit ihren Gläubigen keine isolierten Inseln oder einen
Fremdkörper das, die am Rande der Bewegung der Geschichte lebten. Sie sind lebendige Kirchen, die im Strudel der Weltereignisse und regionalen Ereignisse beteiligt sind. Sie sind davon betroffen, aber sie haben auch die Fähigkeit, selbst zu handeln. Unsere christlichen Kirchen sind der Sauerteig, der seinen natürlichen Platz im menschlichen Teig findet (Mt. 13,33). Sie stehen in ständiger Interaktoin mit dem Herrn, mit sich selbst und mit ihrem Umfeld. Sie stehen in Interaktion mit sich
selbst, um ihren Aufforderungen, ihren Leiden und ihren Bedürfnissen zuzuhören.
Inmitten von all diesem erlangen unsere Kirchen ihr eigenes Gesicht wieder, die
Einzigartigkeit ihres Beitrages und ihre Authentizität, die durch das hohe Alter und
eine unaufhörliche Erneuerung charakterisert ist. An diesem entscheidenden Wendepukt, den wir durchschreiten und der mit Ereignissen, Veränderungen und Herausforderungen für die weltweite, regionale und lokale Ordnung belanden ist, halten unsere Kirchen inne, um zu reflktieren und nachzudenken über die Erneuerung ihrer Treue zu Gott und den Menschen."


Wer sich für die Poltik in Nahen Osten mit seinen weltweiten Implikationen interessiert, dem seien folgende objektiv-kritische Publikationen empfohlen:

Richard Melisch: Pulverfaß Nahost, Im Rückblick und Ausblick; Hohenrain, Tübingen.
Marcel Pott: Der Nahost-Konflikt, Schuld und Sühne im gelobten Land, Kiepenhauer und Witsch, Köln.

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